Als Poet bezeichnet man einen Verfasser von poetischen Texten bzw. Gedichten. Heute gilt der Begriff als veraltet und erfährt, wenn überhaupt, meist eine scherzhafte oder ironische Verwendung, denn im Biedermeier wurde „Poet“ zur karikierenden Bezeichnung für einen gescheiterten Dichter (vgl. Carl Spitzwegs wirkungsmächtiges Bild „Der arme Poet“). Und damit sind wir beim Thema dieses Blogbeitrags: Carsten Sostmeier.
Carsten Sostmeier ist Sportkommentator bei der ARD, insbesondere im Pferdesport. Für seine Live-Moderation der Dressurentscheidungen bei den Olympischen Spielen in Athen erhielt er im Jahr 2004 den „Deutschen Fernsehpreis“ in der Kategorie „Beste Sportsendung des Jahres“ und wurde 2005 für den Grimme-Preis nominiert. 1996 und 2000 würdigte ihn das NOK mit der „Silbernen Kugel“ als besten Live-Kommentator bei den Olympischen Spielen. Nun ist das mit Preisverleihungen und Ehrungen ja immer so eine Sache. Man erinnert sich, Bushido hat 2011 auch den Integrationsbambi bekommen. Seitdem hat man nicht mehr so viel von ihm gehört. Bei Carsten Sostmeier ist das leider anders.
Für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro ist er wieder voll im Einsatz. Dies hat auch schon zu einigen Irritationen geführt („Brauner Strich in der Hose“), aber darum soll es hier gar nicht gehen. Es geht vielmehr um den Poeten Carsten Sostmeier.
Im Rahmen des Dressur-Wettbewerbs ist seine lyrische Ader wieder einmal besonders in den Vordergrund getreten. So eröffnete er die Kür von Dorothee Schneider auf dem Pferd „Showtime“ mit dem Satz: „Hoffen wir, dass der Ritt ein Hit wird, und das Showtime seinem Namen alle Ehre macht“. Gut, damit kann man noch leben. Bei „Showtime schenkt förmlich Dorothee Schneider seine Beine zum gemeinsamen Tanz“ hingegen guckte selbst meine Tochter irritiert von ihrem Smartphone auf.
Über „Dorothee Schneider sitzt grandios zu Pferde“ und „Der olympische Center-Court der Hypologie“ landete er gegen Ende der Kür bei der Feststellung „ er setzt jeden Schritt in den immer mehr für das Deutsche Dressur Equipe Gold färbende Geläuf hinein; der Sand erstrahlt mehr und mehr.“ Spitzweg hätte seine Freude.
Doch das schien nur seine Aufwärmphase gewesen zu sein. Bei der abschließenden Kür von Isabell Werth lobte er gleich zu Beginn das Pferd in den höchsten Tönen: „Klasse wie präsent Weihegold ist. Der hintere Teil Ihres Namens ist Programm.“ Auch mit wertvollen Hinweisen an das Pferd sparte er nicht: „Dehnung, vorwärts, abwärts, langmachen Weihegold; streck Dich, streck Dich der Goldmedaille entgegen, mit Deiner Isabell!“ Beim Satz „ […] schwingt sie doch schön mit von hinten heran, auch wenn sie abschnaubt“, war ich mir im ersten Moment nicht sicher, wen von beiden er jetzt genau meint. Es klärte sich dann aber auf, dass sich die Aussage doch auf das Pferd bezog, denn Isabelle Werth saß regungslos in ihrem Sattel.
Keine Frage, Isabelle Werth ist eine Ikone in ihrem Sport. Für Carsten Sostmeier ist sie „[…] eine so großartig hell strahlende Kerze inmitten dieser wundervollen Kathedrale des Dressursports.“ Meine Tochter guckte mich verstört an. Bei der Freude über den gelungenen Auftritt am Ende dichtet er „[…] das ist keine Überheblichkeit, das ist der Ausdruck der Freude im Sattel, auf einer solch tollen Stute Platz genommen zu haben, sich von ihr tragen zu lassen, durch den goldenen Sand für den deutschen Dressursport.“
Selbst abends beim Einschlafen lassen mich seine Zitate nicht los. „Und ich werde heut Nacht nicht schlafen können. Doch wenn ich einschlafe, dann träume ich jeden Moment dieser Ritte durch mit hohem Genuss.“ Na dann, gute Nacht!
P.S. Wer mag, kann sich den armen Poeten gerne selbst anhören. Die Bilder der beiden Küren sind auf die enstprechenden Videos der ARD-Übertragungen verlinkt.
2 Comments for “Der arme Poet der Hypologie”
Mike Friedrichsen
says:Ich gehe davon aus, dass du dir diesen Dressur-Krampf dann auch angesehen hast, ansonsten ergibt es ja keinen Sinn 😉
Martin Wysterski
says:Klar, ich warte seit Jahren darauf, dass die Pferde in den Eimer pinkeln. Ist aber leider noch nicht passiert…