Das Wetter ist fantastisch. Es sind nur vereinzelte Quellwolken am blauen Himmel zu sehen. Sonnenschein pur, und das in der letzten Ferienwoche; an der Nordsee, um genau zu sein, in Dagebüll.
Meine Frau und ich entschließen uns, ganz nach vorne an die Mole zu laufen. Das kann man hier einfach so machen; keine Absperrung, kein Geländer. Einen Schritt weiter, und es droht der freie Fall ins Meer.
Eine Fähre kommt gerade in den Hafen gefahren. Sie beherbergt zahlreiche Busladungen von Senioren, die den Tag auf der Insel Föhr verbracht haben. Wir stehen auf der hohen Aussichtsplattform der Mole und winken. Keine Ahnung warum wir das machen, aber wir tun es. Zwei Kinder winken zurück; immerhin.
Nachdem sich der ganze Trubel des Ein- und Aussteigen gelegt hat, verlassen wir die Ausichtsplattform und gehen zur Spitze der Mole. Als wir vorne stehen kommt ein silberner Kia Rio angefahren und hält direkt vor der Wasserkante. Was für ein Idiot, geht es mir durch den Kopf. Wie kann man nur so faul sein? Hier fahren ja viele Autos auf die Mole, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.
Während ich mich innerlich noch rauf- und runterrege, nimmt mich meine Frau in den Arm. „Guck mal“, sagt sie, „er zeigt ihr das Meer.“ In dem Wagen sitzt ein älteres Paar, vielleicht Geschwister, vielleicht auch verheiratet. Beide haben graue Haare, er trägt einen Vollbart und eine gestreifte Brille. Sie scheint älter zu sein als er, ist deutlich kleiner und wirkt schon im Beifahrersitz äußerst gebrechlich. Aber sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie durch ihr Fernglas aufs Meer hinaus schaut. Tränen kullern ihre Wangen hinab, als sie nach einiger Zeit das Fernglas absetzt. Auch er strahlt zufrieden als er sieht, wie glücklich sie ist.
Sie stehen noch eine ganze Weile direkt vorne an der Kante der Mole bevor sie wieder losfahren. Meine Frau drückt mich. Auch wir sind glücklich. Glücklich, das Glück gesehen zu haben.
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