„Es ist sicher nicht wünschenswert, dass wir künftig in fünf Gesprächssendungen das gleiche Thema haben. Aber wenn eine Debatte das öffentliche Interesse ganz besonders beherrsche, dann kann es auch in Zukunft sein, dass sich im Ersten zwei oder drei Gesprächsformate hintereinander damit befassen“. So die Aussage von Thomas Baumann, dem Koordinator der Talkshows in der ARD, im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der ARD Talkshows im Herbst des Jahres 2011.
Kritik an der Gästeauswahl in den Talkshows
Heute jedoch liest man ganz erstaunliche Zeilen vom Programmausschuss der ARD: „Die grundsätzlichen Kritikpunkte an allen fünf ARD-Talkformaten beziehen sich vor allem auf die Themen- und Gästeauswahl der einzelnen Sendungen. Hier sind nach wie vor Defizite festzustellen. Der Programmausschuss plädiert nachdrücklich dafür, nicht nur „prominente“ Gäste einzuladen oder solche, deren „Unterhaltungswert“ sicher ist, sondern auch Gäste, die über Fachwissen verfügen und Interessantes zum Thema selbst beitragen können. Eine stärkere Öffnung in die Gesellschaft bei der Gästeauswahl sollte In jedem Fall vorgenommen werden.“ So steht es zumindest in der geheimen Tischvorlage zur 396, Rundfunkratssitzung des NDR Rundfunkrates am 25.05.2012, die die BILD in diesen Tagen veröffentlicht hat.
Quotenforderung für Talkshowgäste?
Doch das ist bei weitem nicht alles. „An dem Auftreten von Dauergästen hat sich bislang nichts Wesentliches geändert, ebenso an der Unterrepräsentation von Frauen und jungen Menschen In den Gästerunden.“
Ah ja, jetzt soll es also die Quote nicht nur für Unternehmen geben, sondern auch für Talkshow-Gäste. Sorry, ich persönlich bevorzuge die Auswahl von Gästen nach deren Fachkompetenz, egal ob Frau oder Mann. Aber lesen wir erst einmal weiter, was noch so in dem Schriftstück geschrieben wird.
Produktion über externe Firmen wird hinterfragt
„Auch muss man kritisch danach fragen, ob es sinnvoll ist, die Produktion von Talksendungen externen Gesellschaften zu überlassen, statt sie ARD-intern zu produzieren und damit auf die eigenen Kompetenzen und Fachredaktionen zurückzugreifen. Hierüber müssen alle verantwortlichen Gremien zeitnah zu einer Einschätzung und Bewertung kommen.“ Huch, kann ich das noch einmal in Zeitlupe haben? Bei der ARD wird intern kritisiert, dass die Talkshows von externen Firmen produziert werden? War das nicht jahrelang das Allheilmittel gegen Kostenexplosionen und zur Reduzierung des Risikos? Man vergibt die Aufträge nach außen, damit das unternehmerische Risiko nicht beim Sender hängen bleibt. Wird eine Sendung wegen Erfolglosigkeit eingestellt, muss sich die ARD sich z.B. nicht um die Mitarbeiter kümmern. Begonnen hat das ganze im Jahr 2002 mit der Sendung von Sabine Christiansen, die nach vier Jahren, die Talkshow von ihrer eigenen Firma TV21 GmbH produzieren ließ. Und jetzt will man das unternehmerische Risiko wieder in Kauf nehmen oder wie ist das zu verstehen? Wird etwa dafür die Rundfunkgebühr in eine Haushaltsabgabe umgewandelt und somit eine deutliche Mehreinnahme generiert?
Naive Forderungen und Wunschdenken
Am interessantesten finde ich jedoch folgende Aussagen: „Alle-fünf Talk-Sendungen sind unpolitischer geworden, was dazu führt, dass wichtige, gesellschaftlich relevante Themen, die komplex und somit erklärungsbedürftig sind, nicht behandelt werden. Nach wie vor fehlen wirtschaftspolitische Themen sowie unterschiedliche Themen der Sozial- und Energiepolitik fast völlig, ebenso wie neue politische Bewegungen und die Internationale Politik. Auch die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise In Europa wird nicht adäquat und genügend differenziert behandelt.“
Mal ehrlich, wie naiv ist das eigentlich. Man vergibt die Talkshows an externe Produktionsfirmen, deren vorrangiges Interesse darin besteht, Geld mit den Sendungen zu verdienen. Zusätzlich setzt man sie in Konkurrenz zu vier anderen Talkshows auf dem gleichen Sender. Also, geht es darum, einigermaßen akzeptable Einschaltquoten zu erreichen (okay, ich weiß, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind Einschaltquoten irrelevant; hat man ja gerade bei Herrn Gottschalk gesehen…). Gleichzeitig verlangt man jedoch von den Produktionsfirmen, dass sie diese Einschaltquoten mit politischen Themen erreichen, die entweder keinen Zuschauer interessieren oder die kein Zuschauer mehr nachvollziehen kann (z.B. Fiskalpakt, Euro-Rettung, Betreuungsgeld, Syrien oder Afghanistan). Und – das sollte man ebenfalls nicht vernachlässigen – gibt es kaum Personen, die diese Themen im Rahmen eines Talkshowformats vernünftig vermitteln können. Man erwartet hier also Dinge, die meines Erachtens – wenn überhaupt – nur schwer zu erfüllen sind.
Fazit
Ein interessantes Papier, welches die Hilflosigkeit der ARD widerspiegelt. Egal ob Jauch, Plasberg, Will, Maischberger oder Beckmann; es ist völlig klar, dass alle unter (Erfolgs- bzw. Quoten-) Druck gestellt sind. Ihnen gleichzeitig jedoch die „Ideale“ der ARD aufoktroyieren zu wollen, erscheint schon mehr als fragwürdig. Am Ende des Geheimpapieres steht geschrieben: „Die Programmausschuss hält fest, dass es weiterhin einer kontinuierlichen Beobachtung und der Kooperation mit den Programmverantwortlichen bedarf, um die bisherigen Erkenntnisse zu erweitern und die Talkformate insgesamt zu verbessern. Dies Ist eine Aufgabe des neuen Programmausschusses In der nächsten Amtszeit.“ Was das bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen. Vielleicht sollte man an dieser Stelle überlegen, wer hier von wem beobachtet werden sollte…
Dieser Beitrag wurde zuerst am 12.06.2012 im MediaBusinessBlog veröffentlicht.
Schreibe einen Kommentar