Tom und Alba – Mit Leib, Seele und Stimme für Berlin

Es ist keine 10 Minuten nach dem Abpfiff des Spiels ALBA Berlin gegen die Brose Baskets Bamberg. Soeben hat ALBA den amtierenden Deutschen Meister mit 70:58 besiegt. Lässig steigt der Mann mit der blauen ALBA Trainingsjacke auf die Bühne und testet die Mikros: “Könnt ihr uns hören?” Natürlich können Sie ihn hören. Ihn, der seinem Namen auf dem Rücken trägt, und der bei allen ALBA Fans gleichermaßen bekannt und beliebt ist. Tom Böttcher, seineszeichens Hallensprecher bei ALBA Berlin.

Viele kennen seine Stimme sicherlich auch von Radioeins, dem Sender vom rbb der “nur für Erwachsene” ist. Da moderiert er alle vierzehn Tage zusammen mit Marco Seiffert (den sicherlich auch viele ALBA Fans noch aus der Halle und von Günther Jauch her kennen) die Morgenshow. “Und, was hat es Ihnen gebracht?” ruft Tom Böttcher in die Menge, als er die Statistiken des Spiels analysiert. “Nüscht” ruft die Menge zurück. Seit 1985 ist er als Fan und Reporter auf den Spuren von Alba Berlin sowie den Vorgänger-Vereinen BG und DTV Charlottenburg; seit dem Jahr 2000 Hallensprecher bei ALBA Berlin. Er weiß, wie er die Menge animieren kann. Dabei macht er aber immer einen ruhigen, introvertierten Eindruck. Na ja, zumindest nach außen. Innen sieht es in manchen Situationen ganz anders aus.

“Natürlich fällt es schwer, es brodelt dann in mir”, antwortet er auf die Frage, wie er als Hallensprecher damit umgeht, wenn es strittige Foulentscheidungen gibt. “Ich habe dann eigentlich drei Strategien: 1. Keine Chance, auszurasten! Denn es sitzt ein extrem diszipliniertes Kampfgericht neben mir, da gibt es ganz schnell die Ansage: ´Beruhige Dich, Tom!´ 2. Ich erinnere mich daran, dass man in der Halle schon meistens eine extrem große Fanbrille trägt. Bei Fernsehübertragungen finde ich die meisten Schiri-Entscheidungen in Ordnung. Und 3. Es gibt wirklich schlimmeres im Leben, als umstrittene Foulentscheidungen.” Er findet es gut, dass die ALBA Spieler dieses Jahr nicht so viel mit den Schiris rumlamentieren, “also werde ich auch nicht damit anfangen”. Dabei erinnert er sich jedoch an eine Situation, die schon einige Jahre her ist: “Nur einmal bin ich übrigens beinahe der Halle verwiesen worden, der Schiedsrichter war Ralph Umlandt. Er unterstellte mir Parteilichkeit. Mir…”.

Auf die Frage, welches das am meisten bewegende Ereignis gewesen ist, bei dem er als Hallensprecher im Einsatz war, wird er nachenklich. “Matej war ein Spieler, der normalerweise nie liegen blieb. Plötzlich lag er reglos da, Doc Schmidt war bei ihm, unser Trainer Henrik Rödl weinte. In der Schmeling-Halle war es unfassbar still. Alle fragten sich ernsthaft, ob Matej sterben würde. In den wahrscheinlich 15-20 Minuten, die vergingen, bis Matej abtransportiert werden konnte, habe ich nichts gesagt als Hallensprecher. Was hätte ich auch sagen sollen? Wir alle waren wie ohnmächtig.” Es war 2005 als der 30-jährige Mannschaftskapitän von ALBA BERLIN im Bundesliga-Spiel gegen TBB Trier in der Max-Schmeling-Halle eine schwere Verletzung der Halswirbelsäule mit zunächst vollständiger Querschnittlähmung erlitt. Mamic war im vierten Viertel nach einer Offensiv-Aktion mit dem Hinterkopf auf das Parkett geknallt und blieb regungslos und ohne Gefühl in den Armen und Beinen liegen. Heute, viele Jahre später geht es Mamic wieder gut. Er ist Sportdirektor bei KK Cedevita in Zagreb. Aber das war damals nicht abzusehen.

Tom Böttcher ist 46 Jahre alt. In seiner Jugend hat er selbst viel Basketball gespielt, meist in Bezirks- oder Kreisliga, einmal aber auch in der Landesliga. “Meine Vereine waren „Reinickendorfer Füchse“, „VfL Berliner Lehrer“, „VfL Tegel“ und ganz lange der „VfB Hermsdorf“. 1983 hatte ich ein Probetraining beim Alba-Vorläufer DTV Charlottenburg. Das war aber so anstrengend, dass ich anschließend über der Schüssel hing. Und mich gegen eine Profikarriere entschied. Ich glaube auch nicht, dass ich ein guter Profi wäre, weil ich beim alles entscheidenden Freiwurf hundertprozentig versagen würde. Da würde ich an alles Mögliche denken, nur nicht an nichts, und ich glaube, genau darauf kommt es ja an.” Bei der Frage, ob er heute noch selbst spielt, verweist er nur auf seine Knie. “Seit 1999 spiele ich nur noch selten bis gar nicht mehr, weil ich an beiden Knien irreparable Knorpelschäden habe.” Dabei versteht Tom Böttcher eine Menge von dem Sport. Aber zur richtigen Analyse während des Spiels hat er als Hallensprecher einfach keine Zeit. “Da gibt es ja zum Beispiel auch noch ständig Ansagen aus der Regie, welches Gewinnspiel gleich läuft oder welche Werbeansage.”

Die Stimmung in der O2 World hat sich seiner Meinung nach in der letzten Zeit deutlich verbessert. “Das liegt an mehr Kreativität bei den Fans, vor allem aber liegt es daran, dass das Motto ´Mit Leib und Seele für Berlin´ von der aktuellen Alba-Mannschaft zum allerersten Mal auch wirklich verkörpert wird. Wenn ich was gelernt habe über Stimmung in Sportarenen: Die ist niemals eine Einbahnstraße. Und meistens springt der Funke vom Sport aufs Publikum über, und das ist auch gut so!” Und er hat auch einen Rat, wie die Stimmung noch besser werden könnte. “Was alle tun können? Sich locker machen und ausrasten, als würde einen niemand beobachten…”.

Die sport + fun connection ist ihm jetzt so leider noch nicht in der Halle aufgefallen. “Da müsste ich wohl ein Foto von Euch als Gruppe in der Halle sehen. Ich nehme sehr viele, kreative Gruppen in der Halle wahr. Im Vergleich zu früher ist es inzwischen bunter und fröhlicher. Ich persönlich mag alles, was nicht der bloßen Selbstdarstellung dient. Also, wenig kann ich damit anfangen, wenn Fangruppen ein ganzes Spiel lang nur ihre Lieder singen. Sehr gut gefallen mir aber zum Beispiel die Mazedonier, die Vojdan anfeuern oder die Alba-Morphs.” Hier haben wir also noch ein wenig was zu tun, wenn wir in die O2 World zu ALBA gehen.

Sein allerliebster Lieblingsspieler ist übrigens Ex-Albatros Teoman Alibegovic (darum auch sein Spitzname Tom “Teoman” Böttcher). Im ALBA Fantalk nach dem Spiel würde er gerne einmal Michael Jordan interviewen. “Vielleicht kann er noch seinen alten Buddy Scottie Pippen mitbringen, für die beiden habe ich mir in den Neunzigern viele Nächte erfolgreich um die Ohren geschlagen. Auf die Bühne holen würde ich dann aber auch David Logan und Reggie Redding, die beiden haben sich neulich schon wie Kinder gefreut, als die Harlem Globetrotters in der O2 zu Gast waren”. Okay, träumen darf sicherlich erlaubt sein. Das gilt auch für seinen “Traum” einmal Schriftsteller zu werden. Einen Titel für sein Buch über ALBA Berlin hat er aber schon: “Tom und Alba – Mit Leib, Seele und Stimme für Berlin.”

Dieser Beitrag wurde zuerst am 19.03.2014 im Blog der sport + fun connection veröffentlicht.
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Jahrgang 1974, im Sog der Großstadt mit verrückten Typen; im Bann des Basketballs von ALBA Berlin; im offenen Diskurs mit den Medien und deren Protagonisten - immer mit eigener Meinung, mal glücklich und zufrieden, mal fassungslos und erschrocken...

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