Kinderfernsehen für alle – ein Plädoyer für mehr Mut in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag

„Es ist Ihre Schuld, wenn Sie es nicht schaffen, ihn durch Ihren Unterricht zu fesseln“. So verteidigt Paul Jobs seinen Sohn Steve am Ende der 3. Klasse gegen die von ihm durchgeführten und seitens der Schule vorgeworfenen Streiche. Als ich diesen Satz letztens in der Biographie von Steve Jobs las, musste ich unweigerlich an zwei Dinge denken: Zum einen an die Schule meiner Tochter (diese Argumentation muss man sich als Vater einfach merken), und zum anderen an den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Warum?

Seit den Neunzigerjahren wird in Deutschland immer wieder darüber diskutiert, dass die Politikverdrossenheit der Bevölkerung zunimmt. Dabei stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, welche Faktoren einen Einfluss auf diese Einstellungsänderung haben. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass die Medien dabei in einer modernen Demokratie eine entscheidende Rolle spielen, sind sie doch mit Abstand die wichtigste politische Informationsquelle der Bürger. Dem Fernsehen muss dabei noch eine übergeordnete Funktion zugebilligt werden, denn es ist immer noch mit Abstand das meinst genutzte Massenmedium in Deutschland. Ergo hat das Fernsehen die Möglichkeit, etwas an der Situation zu verändern. Doch warum geschieht das nicht?

Kinderfernsehen ist ein Traum
Schlagen wir erst einmal die Brücke zum Kinderfernsehen. Und in diesem Fall beziehe ich mich mal ausdrücklich auf das Kinderfernsehen der öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Hier sind die Ansprüche der Kinder, aber auch die Qualität der angebotenen Sendungen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Während ich mich noch mit Calimero und Grisu unterhalten gefühlt habe, gibt es heute eine Vielzahl von interessanten und pädagogisch hochwertigen Wissensendungen für Kinder. Dazu gehören u.a. „Pur+“, „Willi will´s wissen“, „Wissen macht Ah“, „Logo Kindernachrichten“, „Die Zukunft der Erde“ usw. Natürlich gibt es auch noch den Vorreiter, die „Sendung mit der Maus“, die auch schon zu meiner Zeit Erwachsene vor den Fernseher gelockt hat.

Und damit sind wir beim Thema. Diese Sendungen vermitteln auf einem einfachen aber hochwertigen Niveau komplexe Themen und Sachverhalte. Ob es der Syrien-Konflikt ist oder der Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz; ob es darum geht, welche Kraft die Sonne hat oder warum Atomkraft ein schwieriges Thema ist; es gibt nichts, was nicht erklärt oder angesprochen wird. Viele von den Sendungen wurden auch schon ausgezeichnet. Darüber hinaus sind sie fast alle als kostenloser Podcast erhältlich und können von den Kindern jederzeit angeschaut werden.

Fehlende Adaption für Erwachsene
Nun stellt sich mir die entscheidende Frage: Warum gibt es so etwas nicht für Erwachsene? Okay, so ganz stimmt das nicht. Es gibt schon Sendungen wo auch Erwachsenen versucht wird, Wissen zu vermitteln. Die neueste Sendung in diesem Zusammenhang nennt sich „Nicht nachmachen“ und wird vom ZDF ausgestrahlt. Dabei „experimentieren Wigald Boning und Bernhard Hoecker herum, zerstören Häuser und andere Dinge, um dann zu erwähnen, dass man das nicht nachmachen sollte. Das Ganze hat natürlich einen hochwissenschaftlichen Charakter. Ebenso hochwertig die letztens ausgestrahlte Sendung „Brot und Spiele“ in der ARD. Dort hat man versucht, zur Samstagabend-Primetime dem Zuschauer zu erklären, wie die alten Römer gelebt und gekämpft haben. Der „Höhepunkt“ war ein Gladiatorenkampf zwischen Ralf Möller und Henry Maske. Ich denke, jeder weitere Kommentar erübrigt sich.

Darüber hinaus weiß inzwischen sicherlich jeder erwachsene Zuschauer, wie man ein Restaurant führt oder sein Haus bzw. seine Wohnung renoviert. Selbst Tipps zur Kindererziehung sind abrufbar. Aber ein TV-Format in dem politische Themen erklärt werden gibt es nicht. Sicher, es gibt eine Vielzahl von Talkshows, aber über deren Qualität und Probleme wurde ja auch schon an dieser Stelle diskutiert. Das Ergebnis war eindeutig, nämlich das die Mehrzahl der politischen Themen so komplex ist, dass sie nicht mehr vermittelt werden können. Meines Erachtens fehlt hier der Mut der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten. Die Formate liegen vor, die Konzeptionen ebenso. Warum soll man nicht etwas aus dem Kinderfernsehen übernehmen, was zum einen erfolgreich ist und zum anderen funktioniert?

Was spricht gegen ein Format, in dem die wichtigsten politischen Themen der Woche (des Tages) auf einem für alle verständlichen aber hochwertigen Niveau erklärt werden? Bitte nicht falsch verstehen, hier geht es nicht um eine neue Form des Telekolleg, sondern darum, wie man es schaffen kann, den Großteil der Bevölkerung, der in Bezug auf Politik und deren Berichterstattung schon lange abgeschaltet hat, wieder in die Gesellschaft zu integrieren bzw. wieder diskussionsfähig zu machen. Natürlich kann es auch nicht die alleinige Aufgabe des Fernsehens sein, dies zu leisten, aber es kann einen entscheidenden Beitrag dazu liefern.

Dieser Beitrag wurde zuerst am 16.07.2012 im MediaBusinessBlog veröffentlicht.
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Jahrgang 1974, im Sog der Großstadt mit verrückten Typen; im Bann des Basketballs von ALBA Berlin; im offenen Diskurs mit den Medien und deren Protagonisten - immer mit eigener Meinung, mal glücklich und zufrieden, mal fassungslos und erschrocken...

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